Gemeinsames Ehegattentestament – kann der längerlebende Ehegatte es ändern?

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Stellen Sie sich vor,

Ihre Eltern errichten ein gemeinsames Testament und setzen sich gegenseitig zu Erben ein. Später wird dieses Testament ergänzt, Ihre Eltern bestimmen, dass Sie gemeinsam mit Ihren Geschwistern den Längerlebenden beerben sollen. Dann stirbt der erste Elternteil. Im Vertrauen darauf, dass Sie später den anderen Elternteil beerben werden, akzeptieren Sie den Willen der Eltern und machen keine Pflichtteilsansprüche geltend. Doch dann ändert der andere Elternteil das Testament, widerruft das vorherige, und Sie gehen leer aus. Kann das wirksam sein?

So stellt sich die rechtliche Situation dar:

Ein gemeinsames Ehegattentestament ist für den längerlebenden Ehegatten bindend und nicht mehr abzuändern, wenn und soweit es Regelungen enthält, die der eine Ehegatte nicht getroffen hätte, wenn nicht der andere dies ebenfalls getan hätte. Man spricht dann von „wechselbezüglichen Verfügungen“.

Solange die beiden testierenden Ehegatten noch leben, kann auch eine solche testamentarische Bestimmung widerrufen werden, wobei dafür der Gang zum Notar erforderlich ist. Ist aber einer der Ehegatten verstorben, ist der längerlebende an wechselbezügliche Verfügungen gebunden. Welche Verfügungen aber sind wechselbezüglich? Nicht selten entsteht hier Streit zwischen den Erben.

Wie kann man vorsorgen?

Im Idealfall regeln die Ehegatten in ihrem Testament ausdrücklich, was gewollt ist, hinsichtlich welcher Regelungen der andere gebunden sein soll, und was noch einmal geändert werden darf. Es können einzelne Verfügungen von der Wechselbezüglichkeit ausgenommen werden.

Fehlt eine solche Regelung, hält das Gesetz Auslegungsregeln bereit, so zum Beispiel in § 2270 Abs. 2, 1. Alt. BGB, wonach eine Verfügung im Zweifel wechselbezüglich sein soll, wenn die Ehegatten sich gegenseitig bedenken.

Insbesondere hinsichtlich der Einsetzung der Schlusserben, die nach dem letztversterbenden Ehegatten bedacht sein sollen, entsteht häufig Streit. Entscheidend ist der Wille der Ehegatten bei der Errichtung des Testaments.  Bei der Auslegung ist die Frage nicht für das Testament als Ganzes, sondern für jede einzelne Bestimmung separat zu klären. Zweifel gehen immer zulasten dessen, der sich auf die Wechselbezüglichkeit berufen und Ansprüche daraus herleiten will.

Besonderer Auslegungsbedarf ergibt sich, wenn Ehegatten mehrere Testamente errichten. Ein späteres Testament kann dann das ursprüngliche Testament ersetzen. Es kann sich aber auch auf das erste Testament beziehen und sich ergänzende Regelungen zum Inhalt haben. Beide Testamente würden dann nebeneinander gelten. Auch wenn das erste Testament wechselbezüglich war, muss dann der neuen Verfügung zumindest ein Hinweis zu entnehmen sein, dass diese ebenfalls wechselbezüglich sein soll.

So sieht es die Rechtsprechung:

Das OLG Schleswig (Beschluss vom 11.01.2016, Az. 3 Wx 5/15) hatte diese Wechselbezüglichkeit verneint in einem Fall, in dem Ehegatten zwei Jahre nach einer gegenseitigen Erbeinsetzung in einer weiteren Verfügung eine Schlusserbeneinsetzung vorgenommen hatten. Für die Wechselbezüglichkeit der gegenseitigen Erbeinsetzung in dem ersten Testament spricht die gesetzliche Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB. Obwohl das zweite Testament mit der Bezeichnung „Nachtrag“ versehen war, konnte das OLG nicht erkennen, dass hierdurch zum Ausdruck gebracht werden sollte, die ursprüngliche gegenseitige Erbeinsetzung solle nur dann gelten, wenn auch der andere Ehegatte die entsprechende Schlusserbeneinsetzung vornehme. Nur aus der gegenseitigen Erbeinsetzung kann also nicht geschlossen werden, dass auch jede weitere Verfügung, die darauf Bezug nimmt, wechselbezüglich sein solle. Jede einzelne Verfügung muss für sich selbst geprüft und bewertet werden.

Mein Rat:

Für den Erblasser, der Streitigkeiten sowohl beim ersten Erbfall wie auch später unter den Schlusserben vermeiden will, empfiehlt es sich, bei Änderungen und Ergänzungen des Testaments die vorherigen Verfügungen im Zusammenhang anwaltlich prüfen zu lassen. So kann das Ziel, die Erbfolge dem eigenen Willen entsprechend zu gestalten, auch tatsächlich erreicht werden.

Die Erben hingegen sollten im Streitfall versuchen, so viele Anhaltspunkte und Motive wie möglich aus der Zeit der Testamentserrichtung zusammenzutragen. Auch diese Umstände können nämlich zur Auslegung eines Testaments herangezogen werden. Ziel der Auslegung ist es immer, den Willen des oder der Erblasser zu ermitteln, wobei dieser Wille im Testament zumindest eine Andeutung erfahren haben muss.